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Entrümpeln

Eines der ersten Arbeitspakete unserer nachhaltigen Sanierung ist das Aufräumen und Entrümpeln von Hof und Grund. Dabei entdecken wir einen zerbrochenen Plastiksandkasten in Form einer Muschel, einen kaputten Spind aus Kunststoff, defekte Koffer und Klappstühle, einen unbrauchbaren Kleintierstall, Unmengen zerbrochener Fliesen, demontierte und verbogene Bettgestelle aus Metall, gefühlt hundert Eimer mit getrockneter oder ausgelaufener Farbe. Mit dem Tauwetter tauchen auf dem Grundstück verteilter Unrat auf wie beispielsweise abgefahrene Autoreifen — die Liste ist sehr lang. Es sind Tonnen abzufahren. Aber es nützt nichts, alles muss raus aus den Gebäuden, runter vom Grund. Der Schuppen und die Flächen dahinter werden zur Müllsammelstelle. Es kommt viel, wirklich sehr viel Abfall zusammen. In unserem Fall waren es leider weniger Wertstoffe, sondern wirklich Müll und Schrott.

Da kommt natürlich sofort die Frage auf: Kann Entrümpeln denn überhaupt nachhaltig sein? Hier ist schon einmal die Antwort vorab: Ja und Nein!

Müllberge hinter dem SchuppenNach dem Entrümpeln kommt die Sortierung — da sind wir streng: es gibt Haufen mit Kunstoff-Sperrmüll, Metall-Schrott, Spannplatten und andere Holzverklebungen, behandeltes und unbehandeltes Holz. Altreifen, Styropor, Ziegelsteine, zerbrochenes Glas und anderer Kleinstbauschutt bekommen ebenfalls eigene „Haufen“. Genauso geht es bei anderen Wertstoffen weiter, auch Kabelreste, Batterien, Leuchtmittel, CDs und Elektroschrott kommen in eigene Kisten. Besonders die „Berge“ mit Plastik- und Holz-Sperrmüll sind erschreckend, dazu Farben und Öle. Wir fragen uns ernsthaft: Wie können diese Unmengen kaputter Dinge zusammen kommen? Wie sind die vorherigen Besitzer damit umgegangen? So viele Gegenstände wurden in den Hof hineingetragen — und das alles muss jetzt wieder raus. Wie viel Energie und wie viele Ressourcen hat das über die Jahre gekostet?

Hier einige Zahlen aus der Statistikdatenbank statista: 2019 kamen in Deutschland 360 Millionen Tonnen Abfall zusammen. Davon entfiel der größte Teil mit fast zwei Dritteln (rund 230 Millionen Tonnen) auf Bau- und Abrissabfälle! Etwa 50 Millionen Tonnen waren Abfall aus Produktion und Gewerbe, weitere 28 Millionen Tonnen Bergematerial aus dem Bergbau und gut 50 Millionen Tonnen waren Siedlungsabfälle: das allein summiert sich pro Kopf auf 476 kg Abfall (in Deutschland in 2020). Wenn wir einen Bestandsbau sanieren, vermeiden wir schon einmal viel Bau- und Abrissabfall — und die zugehörige Energie!

Dabei ist Abfall nicht gleich Abfall: In einer Abfallhierarchie oder -pyramide gibt es fünf Stufen von Müll (Details dazu auf Utopia):

1) Ideal: Vermeidung
2) Up-Cycling, Wiederverwendung in erhöhter Wertstufe
3) Trennen, Recycling des Materials
4) sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung
5) Nicht ideal: Beseitigung, Lagerung auf Deponie

GartenzwergBeim Entrümpeln können wir zunächst einmal keinen Abfall mehr vermeiden, aber mit den entstandenen Müllbergen können wir nach der Hierarchie weiterverfahren. So finden sich Dinge, die tatsächlich nicht beschädigt oder in Teilen brauchbar sind: da wir dafür allerdings keine Verwendung haben, könnt Ihr diese zu verschenken finden auf Plattformen und Nachbarschaftsforen. Für etliche Schätzchen fanden sich bereits zahlreiche begeisterte neue Besitzerinnen und Besitzer. Und auch bei Gebrauchtwarenhäusern lassen sich kostenlos gut erhaltene Gegenstände abgeben. So haben wir über eine Kleinanzeigenplattform auch Andy kennengelernt: Sie betreibt engagiert einen Gnadenhof für Schweine und ist laufend auf der Suche nach Metallgittern, Stallmatten und Regalbrettern. Ihr konnten wir einiges übergeben. Genau genommen haben wir durch das Verschenken doch Abfall vermieden — und möglicherweise auch Neuproduktionen. Eine tolle Möglichkeit!

Meine nächste Lieblingsmöglichkeit ist das Up-Cycling. So könnten Altreifen oder Felgen zu Gartenhockern umgestaltet werden. Die zerbrochenen Ziegelsteine ergeben die Grundlage für eine Steinmauer für Eidechsen oder ein Insektenhotel. Das unbehandelte Holz kommt in unser Holzlager und wird zu Brennholz weiterverarbeitet. Über die anderen Möglichkeiten werden wir Euch gerne im nächsten Beitrag „Entsorgen“ einiges mitgeben. Auch die meisten Gemeinden geben mittlerweile umfangreiche Abfallratgeber heraus mit Tipps zum Vermeiden, richtigen Trennen und Entsorgen: schaut einfach auf die Homepage Eurer Stadt oder Gemeinde.

Für das Entrümpeln haben wir bisher bereits weit über 100 Stunden gebraucht, aber das ist leider nur der Anfang. Ein nächstes Arbeitspaket wird der Rückbau und die Entfernung von Fliesen, Laminat und Deckenvertäfelungen samt Dämmung aus den Zimmern sein. Dazu kommen die maroden Badezimmer, Abwasser- und Stromleitungen. Die Heizanlage, Tanks, Rohre, Heizkörper. Später die nicht mehr den Standards entsprechenden Fenster. An diese Abfallberge mögen wir heute noch garnicht denken.

Kann Entrümpeln denn nun nachhaltig sein? Ja und Nein — ökologisch gesehen nicht, da Tonnen von Material letztendlich auch entsorgt werden. Energie und Wasser flossen in die Produktion dieser Gegenstände und wieviel Rohstoffe wurden verwendet! Wir haben gelernt, zukünftig genau zu überlegen, welche Produkte wir wirklich am Hof brauchen und daher anschaffen. Wie nachhaltig läuft die Produktion ab und wo? Wie langlebig sind dann diese Gegenstände: Ist eine einfache Reparatur möglich? Wie sieht der Lebenszyklus aus? Mit diesen Überlegungen für die Zukunft kann daher das Entrümpeln nachhaltig sein. Damit haben wir auch schon prima den Bogen zu einem der nächsten Beiträge gespannt: „nachhaltiger Konsum“!

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Nachhaltige Sanierung — Eine Einführung

Die Geschichte unseres altes Bauernhauses im südöstlichen Zipfel des bayerischen Waldes geht etwa auf die 1830er Jahre zurück. Die letzten Baumaßnahmen erfolgten wohl vor etwa 50 Jahren. Da ist so einiges, was saniert werden müsste. Uns ist hier der nachhaltige Aspekt sehr wichtig: da ich meinen Master in „Nachhaltige Entwicklungsarbeit“ abgelegt habe, liegt dieser Anspruch natürlich nahe.

Doch was bedeutet „nachhaltiges Sanieren“ — was heißt eigentlich „Nachhaltigkeit“? Mein Eindruck ist, dass zum Aufhübschen vieler Konzepte und Vorgehensweisen dieser Begriff gerne gebraucht wird. Aber wird er dabei immer richtig verwendet? Nachhaltig handeln beinhaltet viel mehr als nur den ökologischen Aspekt. Ich versuche einmal, eine kurze Einführung in den Begriff zu wagen, um dann den Bogen zum nachhaltigen Sanieren zu schlagen.

Zum Thema Nachhaltigkeit finde ich drei Meilensteine besonders bemerkenswert:

  • 1987 wurde im Nachhaltigkeitsbericht der Brundtland-Kommission „Our Common Future“ nachhaltiges Handeln folgendermaßen definiert: „Nachhaltig ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“
  • 1992 fand die Konferenz der Vereinten Nationen über Entwicklung und Umwelt in Rio de Janeiro statt. Hier wurde das Begriffsverständnis von Nachhaltigkeit in einer Richtung gefestigt, nach der die drei Säulen beziehungsweise Dimensionen gleichrangig und gleichgewichtig sind: Ökologie, Ökonomie und Soziales.
  • 2015 wurden auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung der UN in New York die 17 SDGs verabschiedet, die Sustainable Development Goals. Anknüpfungspunkte zum Thema nachhaltiges Sanieren sind unter dem SDG 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ zu finden.

Wirkliche Nachhaltigkeit besteht somit nur dann, wenn eine Gleichrangigkeit der drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales besteht. Ist dieses Optimum tatsächlich erreichbar? Fairerweise gleich vorweg: ein Gleichgewicht ist praktisch nie in vollem Maße erreichbar. Es sollte aber zumindest angestrebt werden. Dieser nachhaltige Gedanke lässt sich auf alle Lebensbereiche anwenden, so auch auf das Bauen beziehungsweise in unserem Fall auf das Sanieren eines Bestandsgebäudes.

Dabei fallen zahlreiche Arbeitspakete an wie Entrümpeln, Rückbauen, Wiederverwerten, Entsorgen oder Schädlinge bekämpfen. Aber auch Baumaterialien auswählen, Handwerksbetriebe und Transportwege. Und dies stellt nur eine Auswahl dar.

Wir starten also unseren Versuch, für den kleinen Hof einen nachhaltigen Weg bei der Sanierung einzuschlagen und bestmöglich anzuwenden. Über kleine und große Erfolge, über unsere Entdeckungen aber auch Misserfolge könnt Ihr hier lesen!